Mit einem unsanften Tritt in die Seite wurde William gegen 7 Uhr Morgens geweckt. Ein genervtes Stöhnen entfuhr ihm bevor er sich etwas anders hinlegte und versuchte weiter zu schlafen.
"Ich sollte dich wecken, nun verpiss dich auch", raunte eine weibliche Stimme neben ihm.
Will öffnete mühsam seine Augen und dachte einige Sekunden nach. Warum sollte ich jemanden darum bitten mich zu wecken? Er grübelte erneut. Es dauerte seine Zeit, bis ihm einfiel, dass heute sein erster Tag in der "neuen" Schule war. Ebenfalls kamen ihm Bruchstücke der gestrigen Nacht in den Sinn. Laute Musik, viele Leute, junge Damen - die viel zu freizügig tanzten - viel zu viel Alkohol und natürlich Cold Rose. Vielleicht war auch davon etwas zu viel im Spiel, allerdings konnte er sich nicht mehr an die genaue Anzahl der Pillen erinnern, die er gestern vernichtet hatte.
Sein Blick wanderte zu der Dame neben ihm, die selbst nach so einer Nacht noch ganz passabel aussah, allerdings auch nicht mehr als ein Fick wert war. Er rappelte sich mühsam in eine sitzende Position, wobei sich sofort alles um ihn herum drehte. Sein Kopf dröhnte für einige Sekunden unerträglich.
"Fuck", murmelte er, immer noch verschlafen.
"Wolltest du nicht gehen?", fragte sein One Night Stand, dessen Namen er wahrscheinlich sowieso nie gehört hatte.
"Jaja, sei leise", fauchte er sie an, bevor er seine Sachen auf dem Boden zusammen suchte und sich anzog. Er versicherte sich, dass sowohl Handy, Portemonnaie als auch seine kleine Tasche voller illegalem Zeug bei ihm waren und verschwand dann aus der Wohnung. Kein "Tschüss" oder "Man sieht sich", denn sie beide wussten sehr genau, dass man sich garantiert nicht wieder sah und es sowieso unnötig war sich zu verabschieden.
Sobald er einige Atemzüge der kalten Morgenluft bekam, wurde sein Kopf wieder klarer. Er warf seinen zerfransten Rucksack über seine rechte Schulter und ging Richtung Busstation.

Das - für ihn - neue Schulgebäude war beeindruckend.. wenn man sich dafür interessierte. Will jedoch widmete diesem nicht mal einen müden Blick. Er hatte den Zettel mit den nötigen Infos vor 2 Wochen bekommen und konnte sich leider noch genauestens daran erinnern was drauf stand. Es waren immer die unwichtigen Sachen, an die er sich bestens erinnern konnte.
Die Schüler um ihn herum waren ein sehr seltsamer Mix. Einerseits die üblichen Verdächtigen seiner alten Schule, ein paar Grüppchen von möchtegern Gangstern in abgeranzten Billigklamotten die im "underground" sicherlich 'In' waren, ein paar Bitches, an denen alles fake war und die paar Mobbingopfer.. oder Streber? Gab es dafür ein Wort, dass nicht völlig behindert klang? Seine kurze Überlegung führte zu keinem Ergebnis.
Die anderen jedoch waren das komplette Gegenteil. Er unterdrückte einen Kotzreiz, als sein Blick auf die aufgetakelten, reichen Hündchen traf. Die Weiber hatten allesamt einen hochnäsigen, teils arroganten Blick aufgesetzt und fingen sofort an zu lästern, sobald jemand an ihnen vorbei ging, der garantiert nicht zu ihrer alten Schule gehörte. Die Typen schienen fast genauso. Sie wirkten Wills Meinung nach wie Weicheier. Waschechte Muttersöhnchen mit zurück gekämmten Haar und ihrem Hemd brav in die Hose gesteckt. Er stellte sich vor wie langweilig es wäre sich mit einem von denen zu prügeln. Wahrscheinlich würden sie als allererstes ihren Vater anrufen. Er schnaubte amüsiert.

Der Flur war lächerlich voll, als hätte man vorher nicht geplant, wie viele Schüler in dieses Gebäude passen würden. Genervt drängte er sich - notfalls mit Gewalt - durch die Schüler. Was machten die überhaupt alle hier? Hatten die nichts besseres zu tun, als den ganzen lieben langen Tag dumm rum zu stehen und scheiße auszusehen?
Als er es endlich zu dem Klassenraum geschafft hatte, der höchstwahrscheinlich der richtige war, seufzte er hörbar. Es nervte ihn, dass er so früh aufstehen musste, allerdings hatte eine gute Freundin von ihm verlangt, dass er wenigstens am ersten Tag pünktlich sein sollte. Er würde gerne sagen, er machte es, damit sie glücklich war, allerdings war der einzige Ansporn, dass sie ihm sonst ordentlich den Arsch versohlen würde. Wortwörtlich.
Die Tür zum Klassenzimmer war bereits offen und einige Schüler saßen bereits auf ihrem Platz. Andere standen rum und unterhielten sich. Er merkte wie ein Grüppchen von Bitches ein anderes Grüppchen von.. reichen Bitches argwöhnisch begutachtete und wusste sofort, dass diese ganze Aktion noch ordentliches Chaos verursachen würde.
Ohne groß nachzudenken setzte er sich auf einen freien Platz in der hintersten Reihe. Er schmiss seinen Rucksack ohne Rücksicht auf Verluste auf den Tisch und lehnte sich zurück. Womit hatte er diesen Scheißdreck verdient?

William war kurz davor einzuschlafen als der Lehrer sich laut räusperte. Erschrocken fuhr er hoch und sah sich um. Alle Plätze waren nun belegt. Einige der Schüler - sehr offensichtlich von der Duke - störten sich nicht an der Anwesenheit des Lehrers und drückten fröhlich auf ihren Handys herum.
Er selbst saß immer noch zurück gelehnt, warf seinen Blick aber trotzdem zu dem Mann im vorderen Bereich des Klassenzimmers. Der Mann war seiner Einschätzung nach 'locker 50 oder so'. Dazu wirkte er sogar etwas nervös, als wüsste er nicht, wie er nun mit den neuen Rabauken umgehen sollte. Geschweige denn, ob er sie bändigen könnte.
"Guten Morgen, mein Name ist Mr. Harrison", sagte der Mann halblaut, "Ich bin ihr neuer Mathelehrer. Zumindest für gut die Hälfte von euch"
Ein Mädchen mit knall pinken Haare warf verächtlich ein zusammen geknülltes Blatt Papier nach ihm. Einige andere kicherte, die West-Schüler schauten sie empört an, blieben aber vorerst leise. Man sah Mr. Harrison an, dass er sichtlich überfordert war. Verlegen lachend machte er mit der Mathestunde weiter.
Will schob seinen Rucksack lautstark vom Tisch und holte einen Block und einen Kugelschreiber hervor. Viel mehr war dort sowieso nicht drin. Abgesehen von dem Müll, Kaugummis und vielleicht ein paar Kondome. Er machte allerdings keine Notizen, er hört nicht mal zu was der alte Kauz da vorne fabrizierte. Stattdessen kritzelte er verschiedenste Zeichnungen in seinen Block, während er mit seiner linken Hand seinen Kopf abstützte. Er war sich sehr sicher, dass er sonst einfach auf den Tisch knallen würde. Was würde er dafür geben jetzt in einem weichen Bett zu liegen und zu schlafen.
Nachdem er ein monströses Kaninchen mit LSD-Blick fertig gezeichnet hatte, sah er sich gelangweilt um bis er die Uhr entdeckte. Er seufzte. Es waren grade man 5 Minuten vergangen? Wie konnte das möglich sein?

Mysteriöserweise überlebte er die Mathe- und die Englischstunde ohne schwerwiegende Schäden. Sobald die Schulglocke die Pause anläutete stopfte er sein Kram in den Rucksack, nahm diesen und lief zügig aus dem Raum. Ein innerliches 'Töööte mich verfickte Scheißeeee' das er am liebsten ausgeschrien hätte, beschlagnahmte seine Gedanken. Egal an welcher Schule er war, es war immer unnötig und so langweilig, dass er oft überlegte sich einfach mitten im Unterricht eine hübsche Rose einzuschmeißen. Tatsächlich hätte er grade Lust darauf, aber wann hatte er das nicht? Er nahm sich vor wenigstens den ersten Tag ohne zu überstehen und ging zu dem nächsten Snackautomat um sich eine Cola zu besorgen.
Mit dem Getränk, das aus einer Tasche der Lederjacke rausragte, versuchte er einen Ort zu finden, der nicht komplett überfüllt war. Die Cafeteria war absolut keine Option. Er streunte im 3. Stockwerk herum, das erstaunlich leer war, wobei er eine Tür entdeckte, die nur angelehnt schien. Alle anderen waren augenscheinlich verschlossen. Mit einem "was kann schon schief gehen"-Blick öffnete die Tür und fand ein leeres Klassenzimmer vor, in dem nur wenige Tische und Stühle standen, die alle mehr als nur ein paar Gebrauchsspuren hatten. Ohne groß drüber nachzudenken krallte er sich einen Stuhl, schob ihn ans Fenster und ließ sich dann darauf fallen.
Mit seiner rechten Hand tastete er in seiner Hose nach der kleinen Drug Bag, wie er sie immer nannte. Er war etwas paranoid wenn es um sie ging, ständig hatte er Angst sie verloren zu haben. Danach zog er sein Handy raus und checkte seine Nachrichten. Die schon wieder viel zu viele waren.

Mr. Harrison kam in die Klasse gestolpert und schien schon jetzt verängstigt. Tatsächlich hatte ich ihn so noch nie zuvor zu Gesicht bekommen. Sonst war recht autoritär, zumindest uns gegenüber. Doch die neuen Schüler scherrten sich einen feuchten Dreck um seine Anwesenheit.
Sie zockten fleißig Candycrush und Co, checkten ihre Instagram Profile oder Whatsappnachrichten und unterhielten sich lautstark.
Wie um Gottes Willen sollte ich jetzt noch IRGENDWAS von Mathe begreifen? Zunehmend gestresst wartete ich die Unterrichtsstunden ab. Mrs. Mason war nicht besser. Sie war eine recht alte Dame und so schon sehr unsicher, doch selbst Englisch begriff ich in der heutigen Stunde nicht, einfach aus dem schlichten Grund, dass ich absolut nichts verstand.
Als die Pausenglocke läutete hatte ich meinen Entschluss gefasst in Kunst (wir hatten aktuell den Expressionismus) würde ich versuchen die Meute zu beruhigen, und wenn ich dazu Stress machen musste.
Eigentlich war das nicht meine Art, doch es nervte mich einfach, dass mir jemand den Weg versperrte, den ich mir für mein Leben am basteln war. Und ich würde garantiert nicht wie alle anderen Schüler der Klasse nach der Schule zu meinen Eltern rennen und mich beschweren. Ich würde wenigstens vorher versuchen es allein zu regeln.
Kaum da also die Pause begonnen hatte nahm ich mein Notizbuch mit meinen Songs aus meinem Rucksack, schulterte diesen und ging dann an der Aula vorbei in den Musikraum wo ich mir eine Gitarre schnappte und dann in den 3. Stock an meinen Stammplatz verschwand.
Der alte Holz-Handwerksraum, der nun aus nichtmehr als 10 beschädigten Tischen und Stühlen bestand, wurde nun eigentlich nurnoch als Abstellraum genutzt naja und eben von mir zum komponieren. Er hatte, wie ich vor knapp einem Jahr festgestellt hatte, eine außerordentlich schöne Akustik.
Also setzte ich mich in meine gewohnte Ecke, stimmte die Gitarre und steckte meine Stöpsel in die Ohren die die anderen Akkorde der Begleitung in Dauerschleife abspielten, sodass ich mich nun ganz auf die passende Melodie konzentrieren konnte.
Ich bemerkte nichteinmal, dass irgendjemand in den Raum dazustieß. Leise sang ich den Text mit und ergänzte hier und da nach ein paar test Tonabfolgen an der Gitarre die Buchstaben über dem text in meinem Buch.

Melanie spamte sein WhatsApp zu so viel es nun mal möglich war. Sie fragte, ob er in der Schule war, pünktlich war und wie es ihm gefiel. Will verdrehte seine Augen. Sie war wohl eine seiner besten Freunde und er kannte sie schon eine gefühlte Ewigkeit, aber manchmal ging es ihm wirklich gegen den Strich, dass sie ihn so bedrängte. Vorallem, da es meist nur um die Schule ging. Nicht um.. spaßigere Sachen. Seine Antwort fiel seiner Laune entsprechend recht kurz aus:
Ja
Ja
Scheiße

Danach überflog er noch einige Nachrichten in verschiedensten Gruppen, aber nirgends war etwas, bei dem er gebraucht wurde, also entschied er sich bei Facebook endlos nach unten zu scrollen ohne auch nur einen Post länger als 4 Sekunden zu betrachten.

Will erschrecke sich zum zweiten Mal an diesem Tag, als er plötzlich eine Gitarre, gefolgt von einer weiblichen Stimme hörte. Ihm fiel beinahe das Handy auf den Boden. Er konnte es grade so noch abfangen.
"Heilige Scheiße..", murmelte er und sah sich um. Tatsächlich, in einer Ecke des Raumes saß eine junge Frau und spielte Gitarre. Verdutzt starrte er sie an. High School Musical?, fragte er sich in Gedanken. Abgesehen davon, dass er diese Situation äußerst befremdlich fand - denn auf seiner Schule konnte niemand mehr als die ersten 15 Buchstaben des Alphabets, geschweige denn ein Instrument spielen - bemerkte er, dass ihre Stimme durchaus passabel war. Dennoch fand er es nicht sonderlich berauschend, dass sie in - offensichtlich - seinem Raum war.
"Ey!", rief er so laut, dass sie es unter Garantie durch ihre Kopfhörer hören musste. "Bist du 'ne Disneyprinzessin oder warum fängst du einfach random an zu singen?"

"Ey", erklang es auf einmal dumpf außerhalb der Stöpsel und ich zuckte zusammen, sah auf und sah einen Jungen aus meiner Klasse, einer der neuen.
Seufzend nahm ich meine Kopfhörer raus und sah ihn an. "Was?", fragte ich ein wenig genervt. "Bist du 'ne Disneyprinzessin oder warum fängst du einfach random an zu singen?" Diese Aussage war so dreist, dass ich nicht anders konnte als zu Kontern.
"Oh der Herr hat also doch wenigstens genug Intelekt, um Disney zu kennen. Dann bist du wohl die böse Stiefmutter in männlicher Präsenz? Hast aber offenbar nicht genug Zellen in der Birne, um zu raffen, dass du hier einfach reinplatzt und mich beim arbeiten störst.Also entweder du suchst dir nen eigenes Plätzchen oder hältst die Gusche."
Genervt und den Kopf schüttelnd steckte ich mir die Stöpsel wie der in die Ohre und versuchte mich auf meine Musik zu konzentrieren, doch ich war ziemlich aufgebracht.
Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein? Neu an der Schule und am Aufmotzen? Sowas konnte ich echt gar nicht leiden. Und eigentlich war es absolut nicht meine Art so zu reagieren, doch zugegebener maßen konnte ich diese neuen Schüler immer weniger Leiden. Keinen Anstand und absolut keinen Ehrgeiz. Freigelassene Affen im Glashaus. Ja, das passte.
Die meisten anderen Mädchen wären jetzt eingeschüchtert aufgestanden und gegangen, das schien Mr. "Ich-hab-Schwanzkomplexe-und-muss-diese-mit-Machogehabe-kompensieren" zu erwarten. Doch irgendwie war ich heute nicht ganz so in der Stimmung das niedliche brave Mädchen zu sein, dass tat was der Mann ihr befahl. Warte, war ich das jemals?

Das war wahrscheinlich der schwachste Konter, den er in langer Zeit gehört hatte. Ein schelmisches Lächeln bildete sich in seinem Gesicht.
"Du versuchst es zu sehr, Hase", murmelte er, wohl wissend, dass sie ihn dank der Kopfhörer vermutlich nicht mehr hören konnte. Er stopfte sein Handy in eine Tasche seiner Jeans, schnappte sich seinen Rucksack und machte sich davon. Er hielt nicht besonders viel von Mädels, die ihre Tage nicht im Griff hatten. Außerdem war sie sowieso eines dieser verwöhnten Prinzesschen, die sich gerne mal "Daddys" Kreditkarte ausleihen um Taschen und so unnötigen Kram zu kaufen.
Will streunte noch einige Zeit durch die Gänge, traf immer mal wieder auf andere Schüler, die wie kleine Ameisen immer was zu tun hatten, bis er schließlich wieder die Schulglocke hörte. Die nächsten Stunden überstand er mit Ach und Krach, obwohl die Kunstlehrerin es sich zur Aufgabe gemacht hatte immer genau ihn anzusprechen. Wahrscheinlich wollte sie ihn bloßstellen, allerdings schaute sie nicht schlecht als er nach der 4. Frage endlich die Schnauze voll hatte und ihr groß und breit alle Fakten mitsamt einflussreichsten Künstlern aufzählte. Seine Mutter war früher furchtbar besessen von Franz Marc, weswegen ihr einziges Gesprächsthema die Wichtigkeit des Expressionismus war. Unnötige Sachen merkt man sich, fiel ihm dazu immer ein. Jedenfalls ließ sie ihn danach in Ruhe, was ihn sehr freute.
Nach der Doppelstunde Kunst folgte die nächste Doppelstunde.. Sport. Sport an einem Montag. Er war tatsächlich verflucht. Natürlich mochte er Sport und ging auch des öfteren ins Fitnessstudio, aber Schulsport war etwas völlig anderes.
Es kam ihm sehr recht, dass diese Schule einheitliche Sportkleidung für die Schüler hatte und er seine Sportkleidung von der Schule gestellt bekam, denn er würde im Leben nie daran denken an den richtigen Tagen seine Sportsachen mit zu nehmen.
Wie üblich machten die Männer - oder in dem Fall seiner Klassenkameraden: Jungs - andere Übungen als die Frauen. Nachdem er, für seinen Geschmack, viel zu lange Fußball gespielt hatte, sah er rüber zu den Mädels. Einige von ihnen schienen großes Theater wegen etwas zu machen. Vielleicht die Sportkleidung? Er konnte es nicht wirklich ausmachen, aber er sah, dass die pinkhaarige wieder vorn mit dabei war.

Dass sicher der Kerl verzog war mir nur Recht, dass die Schulklingel jedoch 10 Minuten später wieder läutete nicht. Ungewöhnlich, denn eigentlich mochte ich die Schule. Doch seit die neuen Schüler von der Duke hier waren... naja.. Schule war nicht mehr Schule sondern ein Irrenhaus - und ich war eine geistig gesunde Patientin, die sich ein wenig Fehl am Platz fühlte.
In Kunst war ich bereits kurz davor die immernoch recht laute Meute etwas zu beruhigen, doch Mrs Mason machte mir klar, dass das nicht meine Aufgabe sei und sie sich mit dem Pack anlegen musste. Mit einem Lächeln zu ihr setzte ich mich auf meinen Platz und kramte mein Block heraus.
Während der Stunde musste ich amüsiert feststellen, dass Mrs. Mason genau den Richtigen auf dem Kieker hatte, der JUnge von vorhin der offenbar Hunter mit Nachnamen hies. Ich beschloss ihn ins Geheim Idiot zu nennen. Auch wenn ich zugeben musste, dass ich tatsächlich ein kleinwenig beeindruckt war, als er nach der 100. Frage von Mrs Mason eine ausführlichere Antwort ablegen konnte, als die anderen aus der West.
Am Ende der Stunde bekamen wir eine Hausaufgabe, von dem ich wusste, dass sie niemand außer mir und vielleicht 6 anderen (dem rest der West Mount) machen würde. Wir sollten ein expressionistisches Bild malen und dann eine Schriftliche Ausarbeitung dessen anfertigen. Eine Woche hatten wir dazu Zeit. Notiert und fast schon erledigt, dachte ich, als die Klingel erneut läutete.

Alle Schüler packten ihre Sachen und gingen gemeinsam zum Sport, ein Glück für mich, denn Sport hatten wir meist mit der paralell Klasse zusammen und so konnte ich mich auf Nathan freuen. Doch kaum, dass wir an der Sporthalle angekommen waren, wurde meine Vorfreude mit einem Mal ernüchtert. Wie eine Mücke an der Wand mit einer Fliegenklatsche erschlagen .. einer elektrischen Fliegenklatsche.
"So Liebe Schüler. Aufgrund der unerwartet großen Schülerazahl haben die Klassen ab sofort wieder getrennt Unterricht und hinzukommend wird geschlechterspeziefisch unterrichtet. Die Jungs spielen mit mir Fußball, die Mädchen werden bei Mrs. Taylors Volleyball spielen. Na los zieht euch um."
"Das..", begann ich in Richtung von Mr. Hardwell und beendete dann den Satz mit '...kann doch nicht wahr sein' in meinen Gedanken. Also sah ich Nathan nun nichtmal mehr beim Sport und musste stattdessen mit den Zicken und noch mehr Zicken klarkommen? Und Claire? Nun die war ja immernoch krank. Sie hatte sich wohl eine Grippe eingefangen und würde erst nächste Woche wiederkommen.
Auf das es dann besser und erträglicher werden würde..

Mrs. Taylors war eine neue Lehrerin wie es schien und da sie die neuen Mädchen alle zu kennen schien, nahm ich an, dass sie von der Duke war, doch das stimmte nicht. Gleich als wir uns aufstellten ging sie wie ein Offizier herum.
"Ich kenne euch.", sagte sie strengen Tones und sah und misstrauisch und äußerst skeptisch an. "Die einen von Euch denken, sie seien was besseres und die anderen sind unerzogene Pawiane im Königshaus." Sie lief einen Kreis um uns knapp 12 Mädchen. "Wir werden uns aufwärmen bevor wir anfangen.", sagte sie dann knapp und die meisten waren bereits startklar zum Runden laufen, doch Mrs. Taylor hielt sie zurück. "Auf den Boden - 20 Liegestütze - 30 Situps. Dann nochmal 10 Liegestütze und dann 20 Burpees."
Die Hälfte von den Mädchen stand nur dumm da, die andere Hälfte begann zu protestieren. Nur ich und Irina, eine andere, äußerst sportliche West Mount, legten los."

Will überstand auch den restlichen Teil der Sportstunde ohne größere Vorkommnisse. Abgesehen davon, dass er immer mal wieder jemanden erwischte, der ihn wegen seiner Tattoos anstarrte, die man in der Sportkleidung nun besser sehen konnte. Das war er durchaus gewohnt, immerhin waren hier fast alle Schüler unter 18 und somit hatte so gut wie keiner von ihnen Tattoos. Jedenfalls nicht an Orten, an denen man sie sehen konnte.
Jedes Mal wenn er jemanden beim Gaffen erwischte, starrte er ihnen so lange in die Augen, bis sie beschämt wegschauten. Und dann sagt man diese reichen Kanalratten wären höflich.. am Arsch.

Nachdem der Unterricht beendet war, lief er eine Abkürzung über den schuleigenen Parkplatz, als plötzlich ein Geräusch seine Aufmerksamkeit weckte. Es klang wie ein... Winseln? Augenblicklich erwachte der angeborene Beschützerinstinkt in ihm. Er versuchte den Ursprung des Geräusches fest zu machen. Einige Male lief er vor und zurück, bis er endlich wusste woher es kam. Unter einem der Autos saß ein kleiner weißer Welpe. Auf dem Boden kniend versuchte er an das kleine Hündchen ran zu kommen.
"Hey du weißes Fellknäul", sagte er in einer ruhigen und tiefen Stimme, "Ich werd dich schon nich auffressen... jedenfalls nicht roh. Komm her, Kleiner."
Mit schnalzenden Geräuschen versuchte er den Hund zu sich zu locken, doch der ignorierte ihn gekonnt. Anstatt sich zu bewegen fing er nur noch mehr an zu winseln.

Nach Sport war der heutige Schultag auch schon beendet. Ich wusste, dass ich morgen extremen Muskelkater haben würde.
Ich war nicht besonders sportlich - meine Eltern hatten Angst, dass mein Herz anstalten machte, also hatten sie mich nie in einen Verein gelassen. Also hatte ich das heutige Sportprogramm nur mit ach und krach überstanden.
Völlig außer Atem zog ich mich um und sah zu, wie einige andere zu den Duschen gingen. Ich hingegen hatte keine Zeit, denn Lills wartete bereits darauf abgeholt zu werden.
Hastig ging ich also zur Tür und verließ die Sporthalle.
Ich öffnete den schwarzen Schirm und ging zu meinem Auto, doch davor hockte jemand. "Ehm ahllo?", fragte ich irritiert und äußerst skeptisch, als ich dort ankam. Ich erkannte Idiot Hunter recht schnell, doch noch schneller erkannte ich das hoche wiepende Geräusch.
"Na wo kommst du denn her?", fragte ich besorgt und kniete mich zu Hunter auf den Boden. Der kleine weiße Welpe schien zu tode verängstigt, verständlich und das würde nicht besser werden, wenn in wenigen Minuten alle Schüler aus der Schule gestürmt kamen und mit laut heulendem Motor losfuhren.
Ohne zu zögern kramte ich etwas aus meinem Rucksack. Leckerlies. Sie waren noch von dem letzten Besuch im Tierheim in dem ich mit meiner Schwester war. Sie liebte es sich dort um die Tiere zu kümmern und daher gingen wir 2 bis 3 mal im Monat dorthin und nunja, vom letzten Besuch waren noch reste übrig, da ich direkt nach der Schule mit ihr hingefahren war.
Ich entpackte das kleine snack würstchen und hielt es in die Richtung des Welpen. Den idioten neben mir ignorierte ich gekonnt - immerhin saß das Hündchen unter meinem Auto.
Und tatsächlich - der kleine Knirps schnupperte interessiert und stellte sein Winseln ein. Zaghaft und äußerst misstrauisch begutachtete er das Leckerli und kam dann offenbar zu dem Entschluss, dass ein Biss nicht schaden konnte und so setzte er sich mit tapsenden Pfotenabfolgen in Bewegung.

Das kleine weiße Fellknäuel bewegte sich immer noch nicht. Seh ich so verängstigend aus? Er verdrehte seine Augen und wollte sich gerade etwas anderes einfallen lassen, als sich auf einmal jemand neben ihn auf den Boden kniete.
"Was zur verfickten..-", entfuhr es ihm, während er erschrocken zurück zuckte. "Ayy, du hast mich erschrocken."
Das war ihr wahrscheinlich auch ohne diesen Satz aufgefallen. Anstatt jedoch irgendetwas zu machen, weswegen er sich wirklich hätte erschrecken müssen, packte sie nur ein kleines Würstchen aus. Will legte seinen Kopf schief. Warum genau hat die sowas in ihrem Rucksack? Ohne etwas zu sagen beobachtete er den kleinen Hund. Dieser kam immer näher, bis er den Snack schließlich erreicht hatte und in einigen kleinen Bissen verschlang. Wider erwarten rannte er danach nicht sofort weg. Er schien ihr sogar auf Anhieb zu vertrauen und kuschelte sich an ihre Hand.
"Woah.. Hundeflüsterin?", fragte er beeindruckt. Und etwas neidisch. Er wollte das Dingens auch anfassen.

"Woah.. Hundeflüsterin?", fragte Hunter aufeinmal in einem überraschendem Tonfall. Jegliche Kälte war seiner Stimme entwichen, im Gegenteil: tatsächlich klang er beinahe ein wenig liebevoll.
"Ja ich.. hab einen guten Draht zu ihnen", antwortete ich lächelnd, als der kleine Bauziwau sich gegen meine Hand drückte und gekrault werden wollte.
Sachte hob ich ihn auf meinen Schoß. "Der Boden ist doch ein wenig zu kalt für dich mein Kleiner..", flüsterte ich dann zärtlich und gab mir Mühe zu verstecken wie sehr ich mich gerade freute. Ich liebte Hunde, doch dass meine Mutter eine Hundehaarallergie hatte war quasi deren Ausrede uns keinen eigenen anzuschaffen. Nicht dass meine Eltern großartig Zeit hätten sich um den Hund zu kümmern, doch Lilly und ich hatten uns mehrfach quasi "versklavt", doch das hatte nichts geholfen.
"Kraul ihn ruhig er scheint grade ziemlich zutraulich", sagte ich dann in Richtung Hunters und seufzte dann. Konnte ich den kleinen Fellball mit nach Hause nehmen und heimlich in meinem Zimmer halten? Nun.. wenn ich oft genug rausging und meine Balkontür offen lies - mein Zimmer war plus Balcon 20qm groß - doch würde das gehen?
"Du hast wohl kein Zuhause was kleiner Freund?", fügte ich dann leicht schwerfällig hinzu und spürte die Traurigkeit in mir hochkommen.

Will begann damit den kleinen Hund vorsichtig zu streicheln. Sofort breitete sich ein leichtes Lächeln in seinem Gesicht aus. Auf die Frage von ihr antwortete er: "Ein Halsband hat er nicht, aber vielleicht einen Chip?" Auch wenn er es wahrscheinlicher fand, dass er einfach ausgesetzt wurde. Sowas passierte schließlich immer öfter. Er würde den Kleinen gerne mitnehmen, aber das war völlig unmöglich. In seinem Zuhause war nicht mal er erwünscht.

„Nein für einen Chip is er zu jung schätze ich“, erwiderte ich auf Wils Aussage und hob den Kleinen hoch.
„Wir haben eine Haus an einem See, draußen vor der Stadt. Wir sind inzwischen kaum noch dort.“, begann ich und dachte an das Haus mit Riesen Grünfläche direkt vor der Stadt.
„4 Tage die Woche könnte ich da sein, denn in der Zeit ist meine kleinrnSchwester bei Verwandten. Aber die anderen 3 Tage muss ich wegen ihr zu Hause bleiben.“
Skeptisch sah ich den Idiot aus meiner Klasse an und kraulte währenddessen das Kinn des Welpen.
„Wenn du willst und kannst, dann könntest du die anderen 3 Tage auf den Racker aufpassen.“ verlegen sah ich weg. „Die New Yorker Tierheime sind überfüllt, man würde ihm nicht genug Aufmerksamkeit und Zuneigung geben, aber du scheinst bei Tieren auch eine weniger idiotische, fast schon liebevolle Seite zu haben.“
Zaghaft sah ich auf und hob den kleinen Fellball auf meinen Schoß, wo er sich einmurmelte und ich ihn weiterkraulen konnte.
„Was sagst du?“

Will sah sie ungläubig an. War das ihr Ernst? Würde es nicht um einen Hund gehen, hätte er allein aus Reflex 'nein' gesagt. Das würde er dem Kleinen allerdings niemals antun. Er überlegte kurz. Er müsste seine kleine Schwester jeden Tag von der Schule abholen - wie immer. Wenn er danach von Zuhause aus direkt losfährt dürfte es trotzdem hinhauen.
Mit einem Kopfschütteln verwarf er diesen Plan wieder. Er konnte nicht von einer Sekunde auf die andere so eine Entscheidung treffen. Ein Hund konnte auch sehr, sehr viel Arbeit bedeuten und Arbeit bedeutete weniger Zeit für... lustige Dinge. Die vielleicht etwas illegal waren.
"Ich denk drüber nach", antwortete er ihr schließlich. Vielleicht würde sie ja in der Zwischenzeit jemanden finden, der genügen Zeit hatte. "Jedenfalls muss ich jetzt los, viel Glück dabei"

Gerade, als ich es ausgesprochen hatte, war mir auch schon aufgefallen wie dumm es eigentlich war einem völlig fremden Vollidioten, sowas anzubieten.
"Vergiss es ich find schon jemand anderen", erwiderte ich auf sein 'ich überlegs mir'Gelaber und seufzte dann. Ohne zu zögern stand ich auf und öffnete die Autotür, den kleinen Racker immernoch kraulend dann auf den Rücksitz niederlassend. Unter dem Sitz kramte ich einen Korb hervor, den ich für spontane Einkäufe dort gelagert hatte, legte meinen Schal hinein und hob dann vorsichtig den Welpen hinein."Bleib ja da drin hörst du?", sagte ich dann und schloss die Tür dann.
Gerade, als ich noch etwas entgegnen wollte, war er auch schon weg. Gut 30 Meter entfernt lief er lässig wie eh und je von dannen, die Hände offenbar in den Hosentaschen.

Seufzend öffnete ich die Fahrertür und schnallte mich an, ehe ich auch schon den Schlüssel drehte, die Kupplung durchtrat und vom Parkplatz hinunter fuhr.
Keine 20 Minuten später hielt ich an Lilys Schule und wartete, wiederum keine 2 Minuten dauerte es, da kam sie auch schon zusammen mit gut 30 anderen Kindern aus der Schule gelaufen.
"Hallo Rosie!", rief sie und winkte mir zu, ehe sie sich von ihren Freunden verabschiedete.
"Na? Wie war die Schule?", fragte ich und sah sie an, lächelte und nahm ihr dann den Ranzen ab.
"So wie immer und bei dir?", fragte sie dann, ehe sie um das Auto herum zur hinteren Tür ging und sich in den Kindersitz niederließ, dann hörte ich das Quietschen.
"ROSIE DA IS EIN HUND IM AUTO!", schrie sie überglücklich und überrascht und ich lachte leise, während ich den Ranzen auf den Beifahrer sitz fallen ließ, nur um mich dann auf meinen eigenen fallen zu lassen.
"Ob du's glaubst oder nicht, aber das weiß ich", erwiderte ich lachend und sah sie im Rückspiegel an. Ihre Augen glänzten und ihre Hand war unsicher, ob sie das Babytier streicheln sollte oder nicht.
"Nur zu", fügte ich dann hinzu und drehte mich zu ihr um. "Aber das bleibt unter uns. Ich werde ihn im Haus am See lassen. Wenn du bei Onkel Marc und Tante Pearl bist werde ich mich um ihn sorgen und die anderen Tage mal sehen. Aber wenn du Mom und Dad was davon erzählst erlebst du die High School nicht mehr verstanden?" Trotz meiner Drohung war meine Stimme und mein Lächeln sanft und Lils nickte nur hecktisch und aufgeregt. "Ai Ai Captain!", sagte sie und begann den Welpen zu kraulen, der kurz darauf freudig zu fiepen anfing.
"So und nun ab zu Onkel und Tante mit dir.", begann ich, kaum da ich losfuhr. Danach würde ich einen kurzen Stop Zuhause, dann in der Tierhandlung und anschließend beim Haus am See machen.